Schulz-Team-Analytik

Bitcoin: die Marktpsychologie hinter den Kursbewegungen

INDEX:BTCUSD   Bitcoin
Das Ereignis dieser Woche war die Kursmanipulation durch fake-news als behauptet wurde, dass Bitcoin-Bestände von Wallets transferiert wurden, die der US-Regierung und Mt. Gox zugeordnet werden konnten. Originaltext Cointelegraph: „ fears that BTC from wallets controlled by the U.S. government and entities related to defunct exchange Mt. Gox were on the move.“ Diese Nachrichten haben sich letztendlich als falsch herausgestellt, doch der Markt hat darauf sehr stark reagiert. Besonders im BTC-Kurs war eine erhebliche Abwärtsbewegung von knapp 9% in zwei Stunden zu sehen, welche den sich zuvor entwickelnden Aufwärtstrend ausbremste. Seither konnte der Kurs nur sehr gemächlich zurück auf das vorherige Kurs-Niveau steigen und hat das lokale Hoch bei rund 30.000$ nicht wieder erreichen können.

Nun muss in einer solchen Kursbewegung berechtigterweise die Frage nach der Validität der technischen Analyse, und speziell der Elliot-Wellen-Methodik gestellt werden. Immerhin wurde die Abwärtsbewegung nicht durch natürlichen Verkaufsdruck ausgelöst, sondern von einem manipulativen Markt-Eingriff, welcher in der Form zuvor nicht berechenbar war.

Die Basis zur Beantwortung dieser Frage ist die Erkenntnis, dass die EW-Theorie strenggenommen keine Methodik zum Prognostizieren von zukünftigen Bewegungen ist, sondern zur Interpretation vorliegender, vergangener Kursstrukturen dient. Natürlich ist es mit entsprechenden Erkenntnissen möglich folgende Bewegungsmuster abzuschätzen, doch befindet man sich dann im spekulativen Bereich, während die Interpretation von vorliegenden Kursstrukturen der Bemessung von tatsächlicher Marktpsychologie dient. Dies ist leider ein sehr theoretisches Thema, doch wird es am konkreten Beispiel des BTC-Kursverlaufs wahrscheinlich etwas verständlicher.

In der Aufwärtsbewegung vom Tief des 24.04. hatte der Markt gewisse Kurs-Erwartungen und hat in der folgenden Aufwärtsbewegung Kaufdruck erzeugt, welcher zu einer vornehmlich impulsiven Kurs-Reaktion geführt hat. Nach der EW-Theorie werden einige dieser Anleger ab einem gewissen Kurs-Niveau ihre Strategie ändern und keinen weiteren Kaufdruck ausüben, sondern im Gegenteil, Verkaufsdruck. Dies begründet sich durch das Verhältnis zwischen Kurswachstum und zeitlicher Ausdehnung, sodass eine Rendite-Zeit-Komponente dazu führt, dass manche Marktteilnehmer Gewinne realisieren möchten. Im voraus sind die Kurs-Auswirkungen dieses Mechanismusses ungewiss, doch liegen nach der EW-Theorie anhand von Fibonacci-Kennzahlen gewisse statistische Werte vor, welche den Verkaufsdruck bemessbar machen. Zu diesem Zweck nutzen wir in der Chartanalyse Regelanlaufzonen, welche die wahrscheinlichsten Trendwendebereiche definieren.
Nun hat der Kurs sich in der strittigen Abwärtsbewegung nicht an die zugehörige Regelanlaufzone gehalten, doch ist dies primär nicht als Strukturbruch zu erachten. Wie beschrieben definieren Regelanlaufzonen lediglich die wahrscheinlichsten Trendwendebereiche, doch geben sie keine zwangsläufige Bedingung für die Validität einer EW-Struktur vor. Man stelle sich einfach vor, dass eine solche Regelanlaufzone in 7 von 10 Fällen erreicht wird und der Kurs seine Trendwende in den übrigen 3 Bewegungen unter oder über der entsprechenden Regelanlaufzone durchführt. Dies hängt in der jeweiligen Situation vom Verkaufsdruck ab, welcher durch die Käufer der Aufwärtsbewegung ausgeübt wird. Hinzu kommt, dass Bewegungen nicht isoliert betrachtet werden dürfen, da der Kurs eine Historie von Kauf- und Verkaufsdruck hat, sodass auch Marktteilnehmer aus vorherigen Aufwärtsbewegung in der aktuellen Abwärtsbewegung Verkaufsdruck ausüben können und somit die Ausprägung mit beeinflussen.

Insofern sich eine solche Abwärtsbewegung an gewisse Regeln der EW-Methodik hält, liegt eine Korrektur gegen die Impulsbewegung bzw. Trendrichtung vor. Die Grundlage eines Aufwärtstrends ist erneut, dass der Kaufdruck höher ist als der Verkaufsdruck bzw. derer Substanz. Die Substanz des Handelsdruck definiert sich durch die Ausprägung einer Bewegung. Demnach gilt es zwischen impulsiven und korrektiven Mustern zu unterscheiden. Trendführende Impulse werden in ihrer grundsätzlichen Struktur immer fünfteilig gebildet, Korrekturen gegen den Trend hingegen dreiteilig. Nun folgen Kurse leider in den seltensten Fällen eindeutigen fünf- und dreiteiligen Mustern, sondern bilden divers ausgeprägte Strukturen, sodass Trends teilweise durch unabgeschlossene Fünfteiler ausgebaut werden – ein gängiges Beispiel sind 1-2-Strukturen – und sich so zu sehr komplexen Bewegungen ausbauen. Auch Korrekturen werden nicht immer durch statische Dreiteiler gebildet und folgen teilweise komplexen vielteiligen Strukturen wie WXYXZ-Korrekturen. Allgemein ist aber anzumerken, dass der Impuls bzw. die Trendrichtung meistens in den markantesten Bewegungen liegt – dies kann eine gewisse Orientierung verschaffen. Somit sollte das Kurs-Zeitverhältnis in einer impulsiven Bewegung höher sein als in einer Korrektur. Der Kurs bewegt sich also in kürzerer Zeit stärker.

In der aktuellen Kurs-Phase fällt eine durchaus impulsive Aufwärtsbewegung auf, doch die Abwärtsbewegung führt wesentlich markanter abwärts. In einer mathematischen Formel könnte man z.B. die 9,28% durch 7h teilen, sodass sich ein Kurs-Zeitverhältnis von 1,33%/h ergibt – der Kurs hat sich pro Stunde um 1,33% bewegt. Die Aufwärtsbewegung hingegen hat in 44h lediglich 11,35% hervorgebracht: 11,35% / 44h = 0,26%/h. Somit ist die Abwärtsbewegung mit 1,33%/h c.a. fünf mal stärker als die Aufwärtsbewegung mit 0,26%/h, sodass ein abwärtsführender Trend wahrscheinlicher erscheint. Auch dieses Rechenbeispiel dient allerdings lediglich zur genaueren Betrachtung der Wahrscheinlichkeiten und kann leider keine Gewissheit verschaffen.

Denn es könnte sein, dass der Markt und dessen Teilnehmer ihren Irrtum einsehen und nachdem sie durch fake-news getäuscht wurden wieder zurück zu ihrer bisherigen Strategie finden und den Aufwärtstrend fortsetzen. Derart nüchtern funktionieren die Märkte allerdings nicht. Wie beschrieben bemisst die EW-Theorie die Marktpsychologie innerhalb von Bewegungen, und in der Abwärtsbewegung haben sehr viele Marktteilnehmer ihre BTCs verkauft. Nachdem sich die fake- news aufgeklärt haben gestehen sich einige dieser Akteure ihren Handelsfehler direkt ein und sind optimistisch, dass der Kurs nun ungehindert weiter steigt, sodass sie wieder auf der Käuferseite aktiv sind und tragen ihren Teil zur Kurserholung bei. Je optimistischer der Markt nun ist, desto impulsiver sollte der Kurs steigen können. Leider scheint der Markt noch nicht wieder vom Aufwärtstrend überzeugt zu sein, sodass der Kurs seit dem Tief vom 26.04. in der Spitze um 9,71% in 22h gestiegen ist (0,44%/h). Somit fehlt es nun an Kaufdruck.

Nach dem technischen Regelwerk lässt sich sowohl die Aufwärtsbewegung impulsiv interpretieren, als auch die Abwärtsbewegung – dies sind die Herausforderungen der Chart-Analyse. Die Gegensätzlichkeiten müssen in einen logischen Kontext gebracht werden. Technisch ist eine Auflösung der aktuellen Kurs-Phase sowohl in die bullishe als auch bearishe Richtung denkbar. Die fake-news-getriebene Abwärtsbewegung bildet sicherlich nicht das allgemeine Marktinteresse ab, doch haben sich auch in dieser Bewegung Handelsentscheidungen ergeben, welche zu entsprechender Kursentwicklung geführt haben. Und diese Marktteilnehmer haben nun entscheidenden Einfluss auf die kommenden Bewegungen. Vielleicht haben sie derart stark verkauft, dass sie nun zu verunsichert sind um die folgende Aufwärtsbewegung mitzutragen. Auch haben nun übermäßig viele Marktteilnehmer verkauft, sodass der Kurs seine folgende Aufwärtsbewegung von einem wesentlich niedrigerem Niveau begonnen hat. Der Kaufdruck der initialen Aufwärtsbewegung an die 30.000$ hat somit an Momentum verloren.

Momentum beschreibt die Trendstärke. Man stelle sich vor wie ein Kurs steigt und jeder außen-stehende Marktteilnehmer seinen Einstieg verpasst. Je höher der Kurs nun steigen kann, desto größer wird die FOMO solcher univestierten Anleger und umso größer wird die Aufmerksamkeit für den Kurs, sodass potenziell noch mehr Anleger über ein Invest nachdenken. Einige dieser FOMO-Anleger haben nicht genug Geduld um den Rücksetzer abzuwarten und treiben den Kurs durch weitere Käufe – dies ist ein ganz natürlicher Marktmechanismus, welcher in jedem Kurs der Welt in unterschiedlichen Ausprägungen und Zeitebenen zu finden ist. Je höher das Marktinteresse an einer solchen Bewegung ist, desto substanzieller kann sich der Trend – unter Umständen – entwickeln. Insofern ein solcher Trend allerdings abgewürgt wird, verliert er sein Momentum. Beim BTC haben die fake-news also zur Schwächung des Aufwärtstrend geführt. Anders wäre es, wenn sich die Marktteilnehmer ab einem gewissen Kurs-Niveau auf marktpsychologisch natürliche Weise von ihren Beständen trennen, da sie ab entsprechenden Kurs-Niveaus Renditen realisieren und so eine technische Korrektur initiieren.

Die aktuelle Abwärtsbewegung lässt sich auch diesbezüglich im marktpsychologischen Sinne nicht als technische Korrektur des aufgestauten Rendite-Potenzials bzw. Verkaufsdrucks interpretieren. Hier liegt eher ein sogenannter „flash crash“ vor. Die Abwärtsbewegung wurde nicht durch Renditerealisierung der Käuferseite initiiert, sondern durch synthetischen Verkaufsdruck anderer Marktteilnehmer. Demnach hatten die Käufer bisher noch keine Gelegenheit ihren Verkaufsdruck zu entladen. Diesbezüglich ist nocheinmal wichtig hervorzuheben, dass Kurse nicht isoliert betrachte werden dürfen, da es eine Historie gibt. Nicht nur die Käufer der beschriebenen Aufwärtsbewegung konnten im mutmaßlichen flash-crash aktiv werden, sondern auch zuvor bereits investierte Marktteilnehmer. Somit wurde die Konkurrenz um hohe Verkaufs-Kurse vergrößert, sodass sich der Verkaufsdruck durch einen externen, synthetischen Effekt verstärkte. Für die isolierte Aufwärtsbewegung bedeutet dies, dass die Käuferseite ihren Verkaufsdruck nachträglich abbauen möchte, was die nur gemächlich steigenden Kurse seit dem Tief des 26.04. erklären könnte. Auch diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass dies lediglich einer Interpretation der Marktpsychologie entspricht und keiner absoluten Gewissheit.

Nun kann man unterstellen, dass sich der natürliche Verkaufsdruck über einige Zeit nachträglich abbaut und der Kurs anschließend ungehindert weiter steigen kann. Der sich aktuell mutmaßlich entladende Verkaufsdruck muss aber zunächst von Kaufdruck dominiert werden um die Kurse weiter steigen zu lassen und einen Aufwärtstrend zu etablieren. Dieser Verkaufsdruck hemmt also das Momentum, sodass der Kurs nicht impulsiv steigen kann – der Markt ist sich noch zu unsicher und kann keinen Aufwärtstrend etablieren.

Ob der Markt in nächster Zeit genügend Kaufdruck aufbringen kann, hängt maßgeblich von dem unabgebauten Verkaufsdruck ab. Wie viel Verkaufsdruck noch abzubauen ist, hängt wiederum davon ab wie viel externer Verkaufsdruck aus historischen Bewegungen in die Abwärtsbewegung geflossen ist. Und an diesem Punkt gilt es nicht ausschließlich die isolierten Bewegungen zu betrachten, sondern den Blick auf die übergeordneten Strukturen zu weiten. Der übermittelte Chart ist auf 1h-Basis zu erkennen und zeigt lediglich die Kursbewegungen der letzten Woche. Darüber hinaus haben sich aber über die vorherigen Wochen und Monate bereits überkaufte Tendenzen abgezeichnet, welche erhöhten Verkaufsdruck erzeugen sollten. Sobald sich nun derartige fake-news verbreiten, wirken sie als eine Art Katalysator für den „globalen“ Verkaufsdruck, der einen Grund sieht sich zu entladen. Demnach hat der globale Verkaufsdruck den isolierten Kaufdruck geschluckt, ohne dass der isolierte Verkaufsdruck entladen werden konnte. Somit wird der globale Verkaufsdruck auf den isolierten Verkaufsdruck aufsummiert und es scheint anhand der übergeordneten Strukturen, als wäre noch einiges an unabgebautem Verkaufsdruck vorhanden...

Haftungsausschluss

Die Informationen und Veröffentlichungen sind nicht als Finanz-, Anlage-, Handels- oder andere Arten von Ratschlägen oder Empfehlungen gedacht, die von TradingView bereitgestellt oder gebilligt werden, und stellen diese nicht dar. Lesen Sie mehr in den Nutzungsbedingungen.