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Die OPEC+ dreht den Ölhahn kaum auf

Die Teilnehmerstaaten der OPEC+ haben auf ihrer gestrigen 31. Sitzung nur eine minimale Produktionserhöhung beschlossen und verwiesen dabei auf die historisch niedrigen Notreserven wie auf die zu geringen Verarbeitungskapazitäten des Sektors. Der Verweis auf die Bedeutung des inneren Konsenses zeigt zudem, dass Russland über die Entscheidungen der Gruppe weiterhin bedeutenden indirekten Einfluss auf die Ölversorgung Europas besitzt. Der Ölpreis zeigt sich aus charttechnischer Perspektive eher Merkmale einer normalen Konsolidierung von Gewinnen in einem Aufwärtstrend, der oberhalb der Marke von 147,68 Dollar schnell eine hohe Eigendynamik gewinnen dürfte.

Die OPEC+ will seine Förderquoten im Herbst nur wenig erhöhen. Dies beschlossen die Teilnehmerländer auf ihrem 31. OPEC- und Nicht-OPEC-Ministertreffen.

Nach den Erhöhungen in den vorangegangenen Monaten soll das gemeinsame Produktionsziel nur um 100.000 Barrel erhöht werden, hieß es in der Pressemitteilung im Anschluss an die Sitzung. Danach verfügen die Mitgliedsstaaten nur über extrem limitierte Kapazitätsüberschüsse. Betont wurde auch, dass die Notvorräte inzwischen den tiefsten Stand der letzten 30 Jahre erreicht hätten.

Zugleich wies die Presseerklärung auf den Wert und die Bedeutung der Aufrechterhaltung des Konsenses hin, der für den Zusammenhalt der OPEC und der teilnehmenden nicht-OPEC-ölproduzierenden Länder von wesentlicher Bedeutung ist. Auf dem Treffen wurde außerdem festgestellt, dass der chronische Investitionsmangel im Erdölsektor zu einem Abbau der Überkapazitäten entlang der Wertschöpfungskette geführt hat.

Diese Entwicklung dürfte den USA und der EU nicht gefallen, denn die Anhebung um 0,1 Mio. Barrel pro Tag ist eine der kleinsten in der Geschichte der OPEC+ und gewinnt angesichts der tieferliegenden geostrategischen Spannungen zusätzlich an Bedeutung.

Die Unsicherheit über die effektive Ölnachfrage im 2. Halbjahr 2022 bleibt damit auch für das Anbieterkartell ein beachtliches Risiko, jedoch aus einer taktisch komfortablen Situation. Denn der Windfall-Profit aus den historisch hohen Ölpreisen fällt bereits jetzt an, während bei einer sich stärker als erwartet abkühlenden Weltkonjunktur die Einnahmeausfälle erst in der Zukunft liegen. Dazwischen liegt einiger taktischer Spielraum, den vor allem Saudi-Arabien und Russland nutzen werden.

Der Brent-Ölpreis (XC0009677409) hat auf die Ankündigung kaum verändert reagiert und konsolidiert, wie der nachstehende langfristige Kurschart zeigt, weiter auf hohem Niveau.

Dabei fällt auf, dass sich mit dem Preisrückgang auch die kumulierten Umsätze zurückbilden. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich bei dem aktuellen Preisrückgang für Brent-Öl um eine ,,Korrektur im Aufwärtstrend‘‘ handelt!

Die Kursentwicklung zeigt auch das nächste wichtige Kursniveau, dessen Überschreitung aus charttechnischer Sicht das Zeug zu einem ,,Game Changer‘‘ hat. Dies ist das Niveau um 128,56 Dollar, dem Zyklushoch vom März 2012. Dieses Niveau wurde intra-monthy im März 2022 bereits überschritten. Jedoch steht eine signifikante Bestätigung dieses Bruchs noch aus. Sollte diese generiert werden, ist mit einem schnellen Anstieg in Richtung des Allzeithochs bei 147,68 Dollar aus dem Jahr 2008 zu rechnen.

Nach unten bleibt die dynamische Unterstützung des bereits im September 2021 überwundenen langfristigen Abwärtstrends zentral.

Brent Öl auf TradingView

Und was ist das Fazit?

Die Mitgliedsstaaten der OPEC+ sehen auf dem aktuellen Niveau keine größeren Möglichkeiten, die Produktion zu erhöhen. Dabei verwies das Kartell auf die unzureichenden Investitionen in den vorgelagerten Sektor, die die rechtzeitige Verfügbarkeit eines angemessenen Angebots zur Deckung der wachsenden Nachfrage nach 2023 bremsen.

Zudem stellten die Ölminister auf ihrem 31. Treffen fest, dass die stark begrenzte Verfügbarkeit von Überkapazitäten einen sehr vorsichtigen Umgang mit ihnen als Reaktion auf schwerwiegende Versorgungsunterbrechungen erfordert.

Dies könnte aber auch bei wieder zunehmenden Versorgungsunterbrechungen durch kriegerische Konflikte zu einem weiter sinkenden Angebot führen, um die Notreserven aufzufüllen, die schon jetzt den tiefsten Stand seit 30 Jahren erreicht haben.

Damit öffnet die OPEC+ argumentativ den Weg zu einem relativ preisunelastischen Ölangebot des Kartells im Falle weiter steigender Ölpreise. Wie die westlichen Staaten, welche die Ölexporte Russlands sanktionieren, damit umgehen werden, dürfte auch den innenpolitischen Druck bestimmten, der den Verteilungskonflikt hoher Energiepreise begleitet.

Der Ölpreis selbst befindet sich aus charttechnischer Perspektive eher in einer normalen Konsolidierung der vorangegangenen deutlichen Gewinne. Dass er an der beschriebenen Widerstandszone zunächst abgeprallt ist, zeigt nur die Relevanz dieser Zone. Damit deutet bislang wenig auf einen deutlich tieferen Ölpreis hin. Ob die Marktteilnehmer sich darauf hinreichend eingestellt haben, darf allerdings vor dem Hintergrund der laufenden Verteilungsdiskussion bezweifelt werden.

04.08.2022 - Arndt Kümpel

Der original Artikel wurde auf NTG24 veröffentlicht