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OPEC, OPEC+ und der Ölpreis

Die Korrektur des Ölpreises ist den letzten Wochen zum Stillstand gekommen. Ein Blick auf die Interessenkonstellation der zentralen Akteure auf dem globalen Ölmarkt zeigt, dass viele von ihnen ein hohes strategisches Interesse an hohen Ölpreisen haben. Die Position Europas ist dabei schwach. Die strategische Bedeutung des Iran geht dabei deutlich über ein kurzfristig steigendes Öl- und Gasangebot hinaus. Es dürfte strukturbildend für die zukünftigen internationalen Beziehungen zwischen den Akteuren sein. Vor diesem Hintergrund ist ein Ende der Preiskorrektur des Ölpreises und ein neuer Aufwärtsimpuls über die Widerstandszone bei rund 127 US-Dollar deutlich wahrscheinlicher als ein Test der langfristigen Abwärtstrend-Linie.

In unserem letzten Beitrag zum Ölpreis ,,OPEC+ hat Förderquoten kaum erhöht‘‘ vom 04.08.2022 wiesen wir bereits darauf hin, dass die Abstimmung des Förderverhaltens Russlands und Saudi-Arabiens, welche zentral für die gesamte Koordination der Ölförderung der OPEC+ ist, einen hohen Ölpreis bevorzugt.

Denn zum einen generiert ein hoher Ölpreis auch hohe Produzenten-Renten für alle Anbieter, vor allem aber bestätigen diese Produzenten-Renten die individuelle Vorteilhaftigkeit, diese beiden dominierenden Staaten des Kartells ,,machen zu lassen‘‘.

Der Bezug zum größten Nachfrage-Oligopolisten für saudisches und russisches Öl, nämlich China, ist dabei von strategisch hohem Wert. Denn diese sich verstärkende ,,Markt-Allianz‘‘ kann nicht nur den Ölpreis ,,stabilisieren‘‘. Sondern sie dient faktisch auch als ,,Rückversicherung‘‘ untereinander.

So ist die chinesische Nachfrage nach russischem und saudischem Öl eine Rückversicherung gegenüber laufenden und zukünftigen Sanktionen Europas und Nordamerikas. Und das russische Öl- und Gasangebot ist eine Rückversicherung für China, sollte die sich schnell verstärkende militärische Allianz zwischen Russland und China auch zu Sanktionen des Westens gegenüber China führen.

Zusätzliches Gewicht gewinnt nun die Haltung Saudi-Arabiens in Bezug auf die Ölförderung im Licht der Entwicklung des neuen Atomabkommens mit dem Iran. Denn dieser könnte zu zusätzlichem Angebot iranischen Öls und Gases auf den Weltmärkten führen. Ein hoher Öl- und Gaspreis erhöht dabei den Leidensdruck vor allem der EU nach iranischem Gas und Öl.

Gleichzeitig zeigt die jüngste Entwicklung, dass die bisherige ,,Normalisierung‘‘ der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran insbesondere durch den Einfluss Russlands und Chinas getragen wird. Damit wirkt die ,,Internationalisierung‘‘ des saudisch-iranischen Konfliktes zumindest in Bezug auf die saudische Ölpolitik konfliktmindernd.

Damit aber verfügt Russland über den Einfluss in der OEPC+ und insbesondere durch die enge Abstimmung mit Saudi-Arabien über einen Hebel gegenüber der an vielen Energietröpfen hängenden EU. Damit steigt c.p. aber auch der Einfluss Russlands auf den Iran. Parallel dazu erhöht sich der Wert chinesischer Nachfrage nach iranischem Öl. In Unkenntnis der Details des iranisch-chinesischem und der iranisch-russischem Investitionsabkommens bleiben die genauen Effekte unsicher. Es ist aber aus der politischen Verhaltensfunktion des Irans die plausible Vermutung zulässig, dass sich diese Entwicklung als relative Verbesserung gegenüber vor allem den USA darstellt, denn sie schafft Alternativen. Dafür nimmt der Iran möglicherweise langfristig hohe strategische Kosten in Kauf.

Dies zeigt, welche strategisch bedeutenden Effekte die derzeitige Ölpolitik der OPEC+ hat. Erhellend diesbezüglich sind auch die jüngsten Aussagen des OPEC Generalsekretärs.

Ein Blick auf die langfristige Entwicklung des Brent-Ölpreises (XC0009677409) zeigt nun, dass zu dem Kursverhalten seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang 2020 vor allem eine disziplinierte Preispolitik der OPEC passt, die aktuell kein Interesse an fallenden Ölpreisen hat.

Aus charttechnischer Sicht ist das weitere Abwärtspotenzial des Brent-Ölpreises begrenzt. Ein mittelfristiger Ausbruch über die Widerstandszone um 127 Dollar ist deutlich wahrscheinlicher als ein Test der zuvor überwundenen langfristigen Abwärtstrend-Linie (s. Chart).

Brent-Öl in US-Dollar auf TradingView

Und was ist das Fazit?

Die jüngsten Aussagen des OPEC-Generalsekretärs passen gut in die oben skizzierte Positionierung der zentralen Akteure auf dem Ölmarkt. Die Position der europäischen Staaten und der EU ist schwach, jene Saudi-Arabiens und Russland stark. Ein steigender Ölpreis stärkt zudem direkt und indirekt die Position des Iran, vor allem in Bezug auf die iranische Rolle bei der Ölversorgung Europas.

Im Ergebnis zeigt sich, dass viele bedeutende Akteure ein hohes strategisches Interesse an steigenden Öl- und Gaspeisen haben. Kann das Europa verhindern? Nein. Die Produzentenrenten hoher Ölpreise stärken eine Marktallianz der OPEC+. Der Einfluss Europas und der USA auf die Akteure nimmt rasch ab.

23.08.2022 - Arndt Kümpel

Der original Artikel wurde auf NTG24 veröffentlicht