Inflation ist in aller Munde. Überall und jederzeit.
Aber Inflation ist nicht gleich Inflation.
Die EZB steht mit ihrer Zinspolitik heftig in der Kritik viel zu spät zu reagieren und viel wenig gegen die Inflation zu tun.
Ich habe mir mal die beiden großen Wirtschaftsräume USA und EU und ihre jeweiligen Notenbanken die FED und EZB dazu angeschaut.
Das ist ein Versuch die unterschiedlichen Arten der Inflation grob vereinfacht darzustellen.
Es geht hier (außer ganz am Ende) nicht um meine persönliche Meinung, sondern wie die Notenbankpolitik der FED und EZB durch ein anderes Zahlenwerk begründet ein könnte.
Gemeinsamkeiten:
-Beide Wirtschaftsräume haben ein massives Inflationsproblem
-Beide Wirtschaftsräume haben die Inflation nicht unter Kontrolle
-In beiden Wirtschäftsräumen ist die Inflation nicht mehr "temporary"
Unterschiede:
-USA haben vor allem eine strukturelle, klassische Inflation und ein vergleichsweise kleines Energiekostenproblem, was sich an der hohen Kerninflation zeigt. Der gesamte Warenkorb ist betroffen inklusive einer Lohninflation.
-Die EU hat vor allem ein Energiekostenproblem und weniger eine strukturelle Inflation.
-Die USA hatten deutlich früher eine erhöhte Inflation und die FED hat entsprechend früher begonnen die Zinsen anzuheben.
-Die spätere Inflation in der EU und eine andere Zusammensetzung der Inflation sind sogar gute Argumente, warum die EZB vergleichsweise spät tätig wurde.
Die klassische Nachfrageinflation in den USA ist wohl darin begründet, dass die US-Hilfspakete deutlich umfangreicher waren als in der EU.
Es wurde quasi Helicoptergeld abgeworfen. Arbeitnehmer bekamen teilweise mehr Hilfszahlungen als in ihren regulären Jobs.
Die hohen Energiepreise treffen die USA zwar auch, aber sie machen einen vergleichsweise niedrigen Teil der Inflation aus.
Das gute daran: Die klassische Nachfrageinflation kann mit höheren Zinsen bekämpft werden. Genau das macht die FED mit großer Entschlossenheit.
Die EU erlebt dagegen keine klassische Nachfrageinflation, sondern eine Angebotsinflation, konkret durch einen Gas- und Strompreisschock.
Das Schlechte daran: Hohe Energiepreise kann man nicht mit hohen Zinsen bekämpfen, weil sich die Ursachen von Gasmangel damit nicht beseitigen lassen.
Das dürfte auch der Hauptgrund für das zögerliche Handeln der EZB sein.
Das dürfte ebenfalls dafür sorgen, dass EZB mit ihren Zinsanhebungen deutlich unter denen der FED bleiben wird.
Auch wenn es weh tut: Die EZB kann kaum etwas gegen die hohen Energiepreise machen. Der EZB-Werkzeugkasten gibt das einfach nicht mehr.
Die viel gescholtene EZB mit ihrer vermeintlich zögerlichen Art hat bei genauerer Betrachtung sogar gute Gründe für ihr Handeln.
Ausblick und persönliche Einschätzung:
In den USA sehen wir das Risiko einer permanten bzw. einer längeren Inflation.
Die Zinsen werden entsprechend lange hoch bleiben.
In der EU stehen die Chancen sehr gut, dass die Inflation nicht zu einer breiten Nachfrageinflation ausufert. Schon deshalb, weil wir jetzt schon Anzeichen einer Rezession sehen.
Die EU muss das Energiekostenproblem auf einer anderen Baustelle lösen und wird sich auf die Kerninflation fokussieren.
Allerdings besteht das Risiko, dass die Energiekosten außer Kontrolle geraten und das allein reicht aus die Inflation weiter hoch zu halten.
Der Markt ist an einem Punkt an dem die risikolose Anleiherendite 4,0 bis 4,5% zu einem ernsthaften Problem für Aktien werden.
Der Zeitpunkt einer möglichen Zinswende verschiebt sich nahezu wöchentlich nach hinten, ist damit weiter unklar und muss kurzfristig betrachtet werden.
Claim in eigener Sache:
Das ist der mit Abstand aufwändigste Artikel, den ich hier jemals verfasst habe.
Schuld daran ist eine Anfrage, bei der auch ein kleiner Obolus gerollt ist.
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Ist alles Verhandlungssache.