Phylax1902

Fundamentale Einfluesse auf BTC im 1. HJ 2023

BINANCE:BTCUSDT   Bitcoin / TetherUS
Hallo zusammen,

mein erster Versuch, meine Ueberlegungen fuer das Umfeld des BTC und seinen moeglichen Einfluss auf den Kurs im 1. HJ 2023 zu ordnen.

Wie aus dem Chart ersichtlich, halte ich aus TA-Sicht einen Rueckgang bis auf rund 7.200 fuer moeglich. Aber ist das aus fundamentaler Sicht realistisch? Ich glaube nicht, denn:

Woher kam der Nachfragedruck im letzten Bullrun?

Seit Herbst 2020 haben wir zweifellos eine Ausnahmesituation beim BTC gesehen. Der raketenhafte Aufstieg war ganz offensichtlich nicht getrieben von der Nachfrage von "privaten Nutzern", die BTC im urspruenglichen Sinne als Zahlungsmittel oder Wertspeicher erwerben wollten, sondern von Derivaten und spekulativen (gehebelten) Positionen. Wer moechte, kann das gerne "Blase" nennen, ich moechte mich auf die Beobachtung beschraenken, welche Motivation dem Nachfragedruck zugrunde lag.

Der Umstand, dass der Nachfragedruck nun von institutionellen Anlegern mit mehr oder weniger klassischen Finanzinstrumenten (oder diesen nachgebildenten Instrumenten) erzeugt wurde, hat, was ja zu beobachten war, einerseits zu einer relativ hohen Korrelation mit klassischen Finanzmaerkten gefuehrt und andererseits zu einer Abhaengigkeit von "billigem Geld", die meiner Meinung nach nicht mit der "klassischen" Anwendung des BTC, sondern ausschlieszlich mit diesen "neuen Akteuren" erklaert werden kann.

Was passiert bei Wegfall dieses Nachfragedrucks?

Im Zuge der Schwaeche der traditionellen Finanzmaerkte und natuerlich der beginnenden Zinserhoehungen konnten wir - aus fundamentaler Sicht - nichts anderes sehen, als das Wegfallen dieses Nachfragedrucks bzw. Nachfragesegments.

Die Frage, die sich nunmehr stellt und die wohl beantwortet werden muss, wollen wir ueberlegen, wohin sich der BTC Kurs im ersten HJ 2023 bewegen kann, ist daher: Welchen EInfluss hat dieser Wegfall der Nachfrage durch klassische und institutionelle Investoren auf den BTC-Kurs?

Zunaechst muss dabei bedacht werden, dass sich institutionelle Investoren ja nicht einfach (nur) aus dem Markt zurueckziehen. Dafuer sind aktuell bereits zu viele derivative Instrumente verfuegbar. Neben den klassischen Moeglichkeiten wie Futures oder Lending mit der Moeglichkeit zum Leerverkauf kann hier zumindest kurzfristig ein zusaetzlicher Angebotsdruck erzeugt werden, der ueber den blossen Verkauf bestehender Long-Positionen deutlich hinausgeht. Und in einer solchen Phase duerften wir uns aktuell bereits befinden.

Wie und wo kann wieder ein Gleichgewicht gefunden werden?

Die gute Nachricht ist, dass dieser Angebotsdruck nicht auf einen desinteressierten Markt trifft (was allein schon am stetig ansteigenden Volumen zu erkennen ist), sondern in den Kursbereichen, in denen wir uns heute bereits befinden, wieder der "urspruengliche" Nachfragedruck jener Nutzer einsetzt, die im BTC tatsaechlich ein funktionierendes Zahlungssystem und einen Wertspeicher sehen. Vor allem Letzteres ist aktuell verstaerkt bemerkbar. Sowohl klassischen Banken, als auch praktisch alle Krypto-Haendler und -Boersen bieten heute DCA-Modelle oder, altmodischer ausdgedrueckt, BTC-Sparplaene an. Allein das Bemuehen, hier einen "altmodischen" Begriff zu generieren zeigt, dass dies keineswegs nur bei der (traditionellen) jungen und hochgebildeten Klientel Anklang findet.

Was wir hier, anders als 2020 sehen, ist dass hier der Fokus auf langfristigem Vermoegensaufbau und nicht auf dem "schnellen Geld" und der "spekulativen Chance" liegt. Die alles entscheidende Frage ist daher: In welchem Kursbereich wird dieser "neue" Nachfragedruck den inzwischen hauptsaechlich durch derivative Anlageinstrumente (zusammengefasst "Shorts") verursachten Angebotsdruck uebersteigen und daher zu einer Trendwende fuehren?

Einen ersten Anhaltspunkt bilden fuer mich hier die Hochs aus dem letzten Zyklus vor dem Bullrun im Corona-Jahr 2020. Bitcoin-Futures gibt es an der CME zwar bereits seit 2017, dennoch denke ich, dass die Kurse 2019 noch primaer durch die Nachfrage jener privaten "Hodler" bestimmt war, deren heutige geistige Nachfolger die BTC-Sparplanbesitzer werden koennten. Ich denke, ungeachtet der technischen Moeglichkeit dazu, aus fundamentaler Sicht nicht, dass der Kurs laengerfristig unter den Bereich dieser Nachfrage bei rund 12.000 fallen kann.

Und die Miner?

Obwohl dieses Angebotssegment im Vergleich zu den institutionellen Shortsellern wohl nicht stark ins Gewicht fallen duerfte, ist im Weiteren der Angebotsdruck der Miner zu beruecksichtigen, da bei fortschreitendem Wegfall des institutionellen Interesses dieses (wie in der weiter zurueckliegenden Vergangenheit) wohl den Gegenpol zum oben genannten Nachfragedruck bilden sollte. Mit Stand Oktober 2022 waren die durschnittlichen Miningkosten fuer einen Bitcoin in Texas 16.648 $ (Quelle: https://www.btc-echo.de/news/bitcoin-so-viel-kosten-das-mining-eines-btc-152014/).

Auch wenn Miner derzeit kapitulieren oder knapp vor der Kapitulation stehen und die Difficulty sich absehbar deutlich reduzieren wird, ist nicht davon auszugehen, dass die verbleibenden Miner weit unter diesen Kursen verkaufen wuerden. Die Konsolidierung der Miner kann ja aus Sicht der verbleibenden Marktteilnehmer nur zum Ziel haben, wieder Mining-Renditen zu erzielen und nicht gerade noch kostendeckend zu arbeiten. Sind die notleidenden Akteure vom Markt verschwunden, wuerde es mich daher wundern, wenn wir - trotz fallender Difficulty - einen Angebotsdruck wesentlich unter einem Kurs von 16.000 von Seiten der Miner sehen.

Wie werden sich der Zusammenbruch von FTX, Celsius, 3AC, TerraLuna, etc. auf den Kurs auswirken? Was passiert, wenn weitere Boersen kollabieren?

Die offenbar allseits kritiklos angenommene Meinung, dass der Zusammenbruch der oben genannten oder anderer Player oder auch nur die Furcht davor zu fundamental niedrigeren BTC-Preisen fuehren koennte, kann ich weder nachvollziehen noch teilen.

Nach meinem Verstaendnis kann der Kurs eines Assets (in diesem Fall BTC) nur dann langfristig und nachhaltig sinken, wenn der Angebotsdruck dauerhaft den Nachfragedruck uebersteigt. Auch wenn es sicher moeglich ist, dass der ein oder andere "Sparer" sich aus Angst vor der unuebersichtlichen Situation in der Branche gegen einen BTC-Sparplan entscheidet, wird das meiner Ansicht nach quantitativ keine entscheidende Menge sein. Die meisten Anbieter, die solche Produkte derzeit bereits aktiv betreiben oder entwickeln, sind "angesehene" Institutionen aus dem klassischen Finanzbereich (insbesondere Banken). Sicher wird die Entwicklung derartiger Produkte zukuenftig mehr auf Sicherheitsaspekte wertlegen muessen (z.B. individuelle und getrennt aufbewahrte Keys, entweder treuhaendig oder beim Kunden und damit, zumindest in den meisten Rechtsordnungen Konkurssicherheit). Auf den Nachfragedruck durfte die aktuelle Krise daher langfristig keine Auswirkungen haben.

Bleibt die Frage, ob durch die Liquidierung der Assets der kollabierten Player ein zusaetzlicher Angebotsdruck entsteht. Und den sehe ich, ehrlich gesagt, schon ueberhaupt nicht. Skandale wie jener um FTX sind hauptsaechlich dadurch gekennzeichnet, dass die fuer Kunden verwahrten Assets eben nicht vorhanden sind (und moeglicherweise zu einem guten Teil auch nie vorhanden waren). Ein Asset, das nicht vorhanden ist, kann aber auch nicht verkauft werden und somit auch keinen Angebotsdruck erzeugen.

Was ganz kurz (und natuerlich wesentlich vereinfacht zusammengefasst) hier passiert ist, ist dass in den vergangenen Jahren (und dabei wohl insbesondere im Bullrun 2020/2021) Nachfragedruck nicht durch tatsaechliches Angebot, sondern durch synthetisch erzeugte "Papier-Coins" befriedigt wurde, die nun - wenig ueberraschend - mangels jeglichen Backups verschwinden. Dies ist zwar tragisch fuer die geprellten Anleger, fuehrt aber nicht zu einem Angebotsdruck, weil - ganz ueberspitzt formuliert - beispielsweise SBF mit dem Geld der Kunden gar keine BTC gekauft hat, die jetzt (von wem auch immer) abgestossen werden koennten, sondern lieber in Immobilien auf den Bahamas investiert hat. Wenn also irgendwo ein Angebotsdruck durch solche Faelle entsteht, waere es eher der Immobilienmarkt der Bahamas als der BTC-Kurs, der darunter leiden sollte.

Genug theoretisiert: Zahlen!

Wo koennte dieser Punkt des Gleichgewichts zwischen Angebots- und Nachfragedruck nun sein, der eine nachhaltige Trendwende herbeifuehren koennte.

Machen wir ein Zahlenspiel:

Nehmen wir weltweit nur 20 Millionen Nutzer an, die im Rahmen eines BTC-Sparplans sich eine Altersvorsorge von durchschnittlich 1 BTC aufbauen wollen (nach aktuellem Stand zu wenig, aber gehen wir es mal "pessimistisch" an ...). Die Zahl ist mit sicherheit niedrig bzw. pessimistisch angesetzt, wenn man davon ausgeht, dass z.B. bereits jeder dritte jugendliche Amerikaner in Kryptowaehrungen investiert ist. Aber gehen wir mal nur von diesen 20 Millionen aus.

Jeder dieser 20 Millionen Sparer fuehrt dem Markt, sagen wir, im Schnitt 100 US$ Kapital monatlich zu. Dies ergibt einen Nachfragedruck von 2.000.000.000 (2 Milliarden) US$ monatlich. Ausgehend von 1.800 geschuerften Bitcoins pro Tag (oder 54.000 BTC/Monat) bei einem aktuellen Kurs von rund 16.500 US$ stehen aus dem Mining rund 891 Millionen US$ monatlich zur Verfuegung, somit weniger als die Haelfte dieses Nachfragedrucks, der rein durch "reale" Anwender (Nutzer und Ansparer) generiert wird - ohne jegliches spekulative Element.

Ohne Einflussnahme durch die aktuellen Player (MarketMaker, ausscheidende institutionelle Investoren) muesste somit der BTC Kurs aus rein fundamentalen Gruenden in diesem Szenario auf rund 37.000 ansteigen, um dieses Ungleichgewicht auszugleichen - vom naechsten Halving wollen wir hier gar nicht sprechen.

Nun koennen die instititutionellen Investoren, die ihr Krypto-Engagement beenden wollen oder mutige Short-Seller natuerlich kurzfristig nicht ausgeblendet werden. Sie werden den Angebotsdruck so lange aufrecht erhalten, bis entweder das Risiko nicht mehr gerechtfertigt werden kann oder ihre Margins nicht mehr ausreichen, um die geliehenen BTC zu besichern (denn steigende Preise sind fuer einen Shortseller ja nicht gerade guenstig). Langfristig werden diese ("synthetisch" erzeugten) Papier-BTC den Spot-Preis aber nicht belasten koennen, da nicht nur aktuell vermehrt BTC von den Boersen abgezogen werden, sondern, wie schon oben bemerkt, auch die aktuellen "BTC-Sparplaene" insbesondere auf individuelle Wallets aufgebaut werden. Diese "back to the roots" Bewegung wird den BTC Kurs meiner Meinung nach bereits kurzfristig stabilisieren, denn einen "Future" kann niemand auf sein Hardware-Wallet uebertragen ...

Nachdem der Derivate-Markt sich natuerlich langfristig nicht gegenlauefig zum Spot-Markt entwickeln kann, gehe ich davon aus, dass der Nachfragedruck am Spotmarkt, der durch Derivate wie gesagt nur unzureichend befriedigt werden kann, auch ersteren wieder positiv beeinflussen wird. Der Derivatmarkt kann daher (wie auch bei klassischen Vermoegenswerten) anders als in der Vergangenheit oder teilweise auch noch heute langfristig nur Puffer fuer kurzfristige Schwankungen, nicht aber richtungsbestimmend sein.

Somit reduziert sich die Frage darauf, bis zu welchem Kursniveau institutionelle Anleger allenfalls bereit sind, sich von ihren Krypto-Investments zu trennen. Da diese, wie oben ausgefuehrt, ihre Positionen meist im Zeitraum ab Juni 2020 erstanden haben, waere nur ein kleiner Teil dieser Positionen unter dem 2019er Hoch von knapp ueber 12.000 im Gewinn.

Somit gehe ich davon aus, dass der BTC Kurs aus fundamentalen Gruenden nicht (wesentlich) unter 12.000 fallen und dann jedenfalls im Laufe des Jahres 2023, abhaengig von der jeweiligen technischen Konstellation bis zu einem Wert von 37.000 ansteigen koennte.

Anregungen, Ideen und gerne auch Kritik werden dankend angenommen.
Haftungsausschluss

Die Informationen und Veröffentlichungen sind nicht als Finanz-, Anlage-, Handels- oder andere Arten von Ratschlägen oder Empfehlungen gedacht, die von TradingView bereitgestellt oder gebilligt werden, und stellen diese nicht dar. Lesen Sie mehr in den Nutzungsbedingungen.